Am 20.09.2012 fand vor dem Amtsgericht Göttingen ein Prozess gegen einen kommunistischen Antifaschisten statt. Die Anklage wurde im Zuge der Proteste gegen die Veranstaltung „Sicherheitspolitik in Niedersachsen und Göttingen “ erhoben, zu der Innen- und Abschiebeminister UweSchünemann (CDU) und der Göttinger Polizeichef Robert Kruse geladen waren.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen am 10.01.2012 während der Proteste einen Polizisten mit einem Kniestoß in die Genitalien getreten und damit eine Körperverletzung begangen zu haben. Außerdem wurde ihm Widerstandgegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Nach der Sichtung der vermeintlichen Beweisvideos plädierten sowohl die Staatsanwältin als auch die Verteidigerin auf Freispruch.

Die ca. 40 Zuschauer_innen, die sich aus Solidarität mit dem Betroffenen vor dem Amtsgericht Göttingen versammelt hatten, mussten durch einen gesonderten Eingang das Gebäude einzeln betreten. Wer in das Gebäudewollte, hatte sich zunächst einer Durchsuchungsprozedur zu unterziehen.Handys und Rucksäcke mussten gegen den Erhalt einer Wertmarke abgegebenwerden. Dazu erhielt jede_r eine blaue „Eintrittskarte“ für den Prozess,der somit an eine Theatervorstellung erinnerte.

Zu Beginn des Prozesses stellte sich heraus, dass sich die Polizei kurz vor Prozessbeginn dazu herab ließ, dem Gericht ein Video zukommen zulassen, sodass der Prozess gleich zu Beginn für eine halbe Stunde unterbrochen werden musste.

Der Angeklagte nutzte die Gelegenheit, um eine politische Erklärung zuverlesen. In seiner Erklärung stellte er die Kontinuitäten der Verfolgung von Kommunist_innen und dem institutionellen Rassismus inSyrien und in der BRD dar. Zum Tatvorwurf äußerte er sich nicht.Bei der Vernehmung des sog. „Geschädigten“ und der Sichtung der zwei Videos (das ominöse Video der Polizei und eines von der Verteidigung) wurde ziemlich schnell klar, dass auf keinem der Videos etwas zuerkennen ist, was den Schilderungen des sog. „Geschädigten“ entspricht und somit die Anklage stützen konnte. Das Gericht ließ verlauten, dasses Zweifel an der Geschichte über den Antifaschisten habe, der in einem Gedränge, in dem sich niemand mehr frei bewegen konnte, irgendwie ein Knie gehoben haben soll.

Nach dem Freispruch machte der „Geschädigte“ auf dem Flur seinem Ärger Luft. Dabei hatte er noch Glück, denn alles in allem dürfte er selbst einer Strafanzeige nur knapp entronnen sein. Denn wie das Gericht feststellte, war ein Tritt von dem Angeklagten in die Genitalien mit demKnie bei der Stellung der Personen und dem Gedränge mit an Sicherheitgrenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Zudem habe der Geschädigtein den Videos zu keinem Zeitpunkt eine dem Kniestoß angemessene Reaktiongezeigt. Das vorliegende ärztliche Attest bescheinigte zwar mehrere kleinere Verletzungen, jedoch keine Hodenprellung. Diese sei aber auf der Rechnung vom Krankenhaus bescheinigt, die er aber nun leider nicht dabei habe, so der sog. „Geschädigte“. Er dürfte sich zumindest jetzt so fühlen, als hätte tatsächlich jemand das Bein gegen ihn erhoben und ihm ans selbige gepisst.

Auch wenn es heute mit einem Freispruch geendet hat: DieKriminalisierung des Genossen und damit des legitimen Protests am10.01.2012 ist nicht hinwegzudenken und bleibt. Es werden noch weitereProzesse gegen Genoss_innen folgen.Ebenso war die stigmatisierende Sonderbehandlung beim Eintritt in dasAmtsgericht kein Zufall. Sie zeigt wieder einmal die Kriminalisierungantifaschistischen Engagements und die Reichweite des langen Arms des Schünemann-Kruse-Ungeheuers.

Seid solidarisch, denn Solidarität ist eine Waffe!
Wir sehen uns bei dem nächsten Theater.