BFE die Dritte!
Am Donnerstag den 16.04.2015 kam es zu einem Prozess gegen einen Antifaschisten in Göttingen. Er sollte in Rahmen einer Gegendemonstration gegen die rechte „Pro Deutschland“ Bewegung im Jahr 2013 eine gefüllte 1 L PET Flasche gegen den Rücken eines BFE Beamten geworfen haben, dabei wurde er von einem anderen Beamten angeblich beobachtet.
Dem Prozess vorausgegangen war die Zustellung eines Strafbefehls, in dem der Antifaschist der versuchten schweren Körperverletzung für schuldig befunden wurde und 60 Tagessätze a 15€ zahlen sollte.
Gegen diesen wurde Einspruch erhoben und über ein Jahr später kam es dann zum Prozess.
Die zuständige Richterin erließ für den Termin besondere „Sicherheitsvorkehrungen“. Wie aus anderen politischen Prozessen schon bekannt sollte es Kontrollen vor dem Gerichtssaal geben. Doch darüber hinaus sollten an diesem Tag auch alle Zuhörer sich mit einem gültigen Dokument am Eingang ausweisen und in eine Liste eintragen lassen. Gegen diesen Versuch der Kriminalisierung legte der Betroffene über seinen Anwalt eine Beschwerde ein und die Auflagen wurden kurz vor dem Termin wieder zurück genommen.
Bei der Verhandlung zeigte sich der einzige Zeuge des angeblichen Vorfalls selbstsicher und versuchte schon von Beginn an den Angeklagten als „aggressiv“ und „unkontrolliert“ darzustellen. Auf die Frage wie der Polizist in der Menschenmenge den Angeklagten so gut ausmachen konnte, antwortete dieser, dass er einem Bekannten ähnlich sehen würde und deswegen ihm gut im Gedächtnis geblieben sei. Außerdem sei er innerhalb der Ausbildung zum BFE Beamten sehr gut geschult worden und wisse genau was er machen würde. Wenn er sich nicht 100% sicher sei würde hätte es auch keinen Zugriff geben.
Doch bereits beim Zeigen des ersten Videos der Verteidigung zeigten sich Zweifel an dieser Darstellung. Der Zeuge meinte den Angeklagten erkannt zu haben und musste durch die Richterin und die Staatsanwältin aber korrigiert werden. Er hatte eine ähnlich aussehende Person fälschlicherweise für den Angeklagten gehalten.
Auch im weiteren Verlauf versicherte der BFE Beamte, dass er eindeutig gesehen habe wie der Angeklagte eine gefüllte 1 L PET Flasche auf seinen Kollegen geworfen habe. Auf die Frage hin wieso der Angeklagte erst so aggressiv gewesen sei, aber bei der Festnahme sich völlig kooperativ verhalten habe, erwiderte er nur, dass sich der Angeklagte wohl ertappt gefühlt hatte und gemerkt habe, dass Widerstand zwecklos gewesen sei.
Zeitweise zeigte sich die Richterin etwas erbost, da die Verteidigung über ein anderes Verfahren an ein Polizeivideo gekommen war, ihr dieses für den Prozess aber nicht zugänglich gemacht wurde.
Der zweite Zeuge, der gleichzeitig auch der angeblich Geschädigte war, konnte nicht viel zur Aufklärung der Geschehnisse beitragen. Er sagte aus, dass er während des Einsatzes von etwas im Rückenbereich getroffen wurde und daraufhin kurzzeitig sogar Muskelkontraktionen hatte, nicht aber Dienstunfähig war. Er hätte nicht sehen können, was ihn genau getroffen hätte, aber durch das lange Training sei er sich sicher, dass es sich um eine Flasche gehandelt haben muss und nicht um einen Stoß mit dem Ellenbogen o.ä. Außerdem betonte er nochmal die Gefahren eines solchen Wurfs, da der seitliche Halsbereich nicht geschützt sei und die Flasche auch abprallen und vielleicht erheblich schwerere Verletzungen verursachen könnte.
Der dritte und letzte Zeuge war nur bei der späteren Festnahme des Angeklagten zugegen. Auch hier fragte die Richterin nochmal nach an welchen Merkmalen er den Angeklagten erkannt habe und wer Ihm die Informationen dazu gegeben hätte. Er sagte, dass u.a. der Blick, den der Angeklagte auch jetzt vor Gericht zeigen würde, ihm unverwechselbar in Erinnerung geblieben sei.
Auf die Frage, wie der Angeklagte bei der Festnahme zu Boden gekommen sei und warum seine Brille beschädigt auf dem Boden lag, konnte er nichts sagen. Auch konnte er sich nicht daran erinnern wer für unmittelbar für den Zugriff zuständig war und den Angeklagten ggf. zu Boden gebracht haben könnte.
Die Richterin wollte dann wissen, was genau ein Kopfkontrollgriff sei, in der Akte sei dieser wohl vermerkt worden. Der Zeuge sagte, dass er aber geschrieben diesen nicht eingesetzt zu haben. Er demonstrierte diesen kurz an einem Kollegen um allen Anwesenden zu zeigen um was es geht. Er betonte dann nochmals, dass er den Griff an dem bereits am Boden liegen Zeugen nicht an wandte da er es nicht für nötig hielt. Dass er diesen in der Situation überhaupt in Erwägung gezogen habe traf nicht nur auf Verständnis. Die Festnahme des Angeklagten war in einem Polizeivideo dokumentiert doch erfasste die Kamera die Situation erst, als der Angeklagte auf dem Boden lag und seine Brille bereits verloren hatte, wie es dazu kam konnte nicht geklärt werden.
Nachdem alle Zeugen ausgesagt hatten, brachte der Verteidiger noch ein weiteres Video als Beweismittel ein, welches die Geschehnisse aus einer anderen Perspektive zeigte. Auf der Aufzeichnung war zu sehen, dass der Angeklagte eine Flasche in der Hand hatte und diese auch warf. Doch handelte es sich um eine leere 0,5 L PET Flasche, die nicht direkt auf eine Person geworfen wurde und letztendlich auf dem Boden landete. Die geschädigte Person, auch das ließ sich zweifelsfrei erkennen, war zu dem Zeitpunkt schon weit entfernt und konnte nicht getroffen worden sein. Außerdem stand der einzige Zeuge in Blickrichtung zum Angeklagten und hatte somit auch mitbekommen, dass die Flasche nicht auf den angeblich Geschädigten geworfen wurde.
Die Richterin rief daraufhin nochmal alle Zeugen, die eigentlich schon entlassen waren, nach vorne und zeigte das Video. Der angebliche Zeuge des Vorfalls warf dann ein, dass sich solche Videos ja leicht manipulieren ließen und versuchte durch wiederholtes Vor- und Zurück spulen noch vermeintliche Fehler zu entdecken. Auf die Frage des Anwalts ob er sich damit auskenne, da er dies schon mal gemacht hätte, wollte er nicht antworten.
In Ihrem Schlussplädoyer forderten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung einen „Freispruch“ des Angeklagten, da dieser die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen habe.
Dies ist zwar zu begrüßen, doch bleibt für uns ein bitterer Beigeschmack, denn ohne das von der Verteidigung eingebrachte Video wäre der Angeklagte mit Sicherheit für die nicht begangene Tat verurteilt worden. Außerdem hat der Belastungszeuge, der den Angeklagten zu Unrecht eines Flaschenwurfs auf seine Kollegen bezichtigt hatte, aller Voraussicht nach keine Konsequenzen zu fürchten. Es hat dann halt mal wieder nicht geklappt.
Die Mischung aus völlig überzogenen Strafbefehlen, absurden Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht, unvollständig geführten Akten und den Teils zweifelhaften Aussagen von Polizeibeamt_Innnen können nur als Versuch erneuter Repression gewertet werden.
In diesem Sinne weisen wir nochmals daraufhin, dass sich Betroffene möglichst schnell an uns wenden.
Solidarität ist eine Waffe! Nutzen wir sie!
Solidarische Grüße
OG Göttingen